Bananenblätter und Sonnenstich. Anamur am Mittelmeer – Landstraße in der Südtürkei. Die Freude ist groß, als Servet Sümer seinen Wagen stoppt, und den „einsamen“ Trämper Billy von der Straße aufsammelt. Doch eine normale Autofahrt wird das nicht …
Servet ist Arzt aus Siirt, in der kurdischen Ost-Türkei. Vor 3 Wochen hat er, der stramme Muslim, seine Ehefrau links liegen lassen. Sehr, sehr schlecht wäre sie … ihr ständiges Gemecker habe ihn an den Rand des Wahnsinns gebracht. Warum er, der Halbgott in Weiß, vor 9 Jahren überhaupt die erstbeste Krankenschwester ehelichen musste … das fragt er sich bis heute.
„Ich bin auf Therapie“ sagt er … und dankt Allah dafür, einen sonderbaren deutschen Mentor von der Straße aufgelesen zu haben. Billys Aufgabe: Zuhören, zureden – und immer wieder ein melodramatisches Liebeslied in kurdischer Sprache von Neuem abspielen.
Servet wirkt sympathisch … und der Job ist nicht von schlechten Eltern. Wir halten in einem Nobel-Lokal nach dem anderen. 4.000 Euro habe er bereits aus dem Fenster geschmissen … da würde es auf mehr oder weniger auch nicht mehr ankommen. Gemeinsam gehen wir Schwimmen im türkisblauen Meer. Zusammen sammeln wir Kaktusfeigen im Unterholz.
Einkaufstouren, ein Luxus-Hotel … am Ende setzt Servet immer noch eins drauf. Bis das Geld alle ist … Irgendwann ist auch der Billy aus dem Mustopf gekommen, und bemerkt, dass der gute Freund eigentlich nur auf Frauen-Jagd ist – und einen männlichen Beistand an seiner Seite braucht. „I want to f… f… f…“, der Satz fällt immer öfter. Und die Anmachen auf offener Straße werden platter. Bisher habe er nur eine armenische Hure ins Bett bekommen, verkündet er – doch er brauche mehr. Viel mehr.
Seine böse Ehefrau könne nicht einmal Brot backen. Dies wäre im Islam jedoch eine Pflicht der Frau, so Servet. Als er dieses „Gebot“ durchzusetzen versuchte, reagierte die Holde auf ihre Weise: Es wäre „haram“, also im Islam verboten, Händchen haltend in der Öffentlichkeit zu laufen. Aus der jungen Romanze wurde so schon bald ein alter Krampf.
„Du hast mich als Deinen Therapeuten engagiert“, so spricht der Wander-Billy … „also ordne ich nun eine Extremkur an!“ Die Idee: Eine Strandübernachtung im syrisch-türkischen Grenzgebiet. Ruhe und philosophische Besinnlichkeit unter Männern. Nach langem Hin und Her stimmt Servet zu – schließlich brauchen wir nach Versiegen der Geldquelle etwas zu essen. Billys Nudeln bleiben die letzte Alternative – und ein Lagerfeuer soll es richten.
Auf der Suche nach dem richtigen Weg muss jede junge Frau auf der Straße um Rat gefragt werden. Stunden über Stunden – immer neue Flirt-Avancen. Nach Mitternacht kommen wir endlich an. Und … oh Schreck, oh Graus … eine Hochzeitsgesellschaft hat hier mitten in der Pampa eine Stranddisko eingerichtet. Frischfleisch für Servet … zumindest für die folgenden 2 Stunden.
Dann ist Ruhe. Wir sind unter uns: Oder nicht ganz. Während wir unter sternenklarem Himmel über Gott und die Welt philosophieren wollen, kommen ungebetene Gäste: Erst eine Horde Hunde … und anschließend eine Krabben-Invasion. Schlaf sieht anders aus – zumal schon früh am Morgen die Sonne gnadenlos auf uns niederbrennt.
Doch Servet ist entspannt. Endlich. Für einen Moment. „Das letzte Mal habe ich vor 25 Jahren mit meinen Eltern am Strand geschlafen“, sagt er. Wow! Das ist genauso lange her, wie der Billy alt ist. „Danke, Bruder! Ich bin geheilt.“ Klasse, wie man doch mit einfachsten Mitteln viel bewirken kann …
Das Mobiltelefon klingelt. Ein Freund teilt Servet mit, seine Ehefrau habe ihn angezeigt. Er dürfe sich dem Haus nicht mehr nähern. „Na gut, sie hatte halt einen Klapps verdient … Aber so was … Eine Unverschämtheit! Ich werde mich scheiden lassen.“ Als dann auch noch die türkische Armee auftaucht, und uns als vermeintlich illegale See-Immigranten festsetzt, kippt die Stimmung endgültig. „Du als Deutscher kannst das alles lustig finden. Aber für mich als Kurden ist das eine ernste Sache!“
In der Zwischenzeit liegt der Wellensittich im Sterben, den Servet unterwegs ebenfalls aufgegabelt hat. „Deinen Tod hast Du meinem deutschen Bruder zu verdanken“, redet er dem Vogel zu. „Der hat uns in diese missliche Lage geführt!“ An der Autobahn schmeißt er den Billy raus. „Das ist mein scheiß Leben“, sprichts und will davon brausen.
Doch dann: Die Tür öffnet sich … ein tiefer Blick … eine Umarmung. „Bruder! Ich werde Dich nie vergessen!“